Johannes Hellmann: Feuerwehrpersönlichkeit mit Integrationswirkung

Deutsch-polnische Spurensuche nach einem schlesischen Feuerwehrpionier

Tipps: Noch detailliertere Informationen zu Hellmann liefert der Beitrag von DFM-Archivar Gerd Schrammen, der hier als PDF heruntergeladen werden kann.

Ein unter der Ägide von Hellmann 1898 komponierter Feuerwehr-Marsch wurde im Mai 2013 anlässlich des Stadtjubiläums von Nysa (Deutsch: Neisse) neu intoniert. Man kann ihn sich unter Youtube anhören.

"Ich möchte nicht gern aus der lieb gewordenen Arbeit und Tätigkeit scheiden, ohne das Bewusstsein zu haben, dass das, was ich durch viele Jahre mit Mühe und Fleiß für die schlesischen Feuerwehren getan und erreicht habe, nicht spurlos in Winde verweht, wenn ich meine Ämter niederlege."

Mit diesen bewegenden Worten übergab Johannes Hellmann in Neisse (Nysa) auf dem 25. Schlesischen Feuerwehrtag am 12. August 1920 im stolzen Alter von 80 Jahren den Vorsitz über den Provinzial-Verband der Feuerwehren Schlesiens in jüngere Hände.

Die neu gestiftete polnische Hellmann-Fuerwehrmedaille, 2011

Die neu gestiftete polnische Hellmann-Feuerwehrmedaille, 2011

Durch die politischen Umwälzungen in Folge der verbrecherischen NS-Diktatur, des von ihr vom Zaun gebrochenen Angriffskrieges gegen Polen und die nach dem 2. Weltkrieg stattgefunden territoriale Neuordnung schienen sich Hellmanns Hoffnungen für immer zerschlagen zu haben. Doch erfreulicherweise blieb es nicht dabei: Die politische Öffnung der einstigen Warschauer-Pakt-Staaten Anfang der 1990er Jahre ermöglichte nicht nur lange verwehrte zwischenmenschliche Begegnungen über vormals verschlossene Grenzen hinweg, sondern riss auch die eingrenzenden Mauern für eine einseitig verzerrende Betrachtung der Geschichte aus dem Blickwinkel der vormaligen kommunistischen Machthaber nieder.

Heute wird in Polen nicht nur wieder über Johannes Hellmann gesprochen, sondern auch mit Erfolg geforscht. Sogar eine neue Feuerwehrauszeichnung wurde nach ihm benannt. An diesem Erfolg haben auch die umfangreichen Recherchen von Gerd Schrammen, ehrenamtlicher Archivar des DFM, einen nicht unerheblichen Anteil. Alles begann mit einer Anfrage im Frühjahr 2008 an den Deutschen Feuerwehrverband in Berlin, die dieser an sein Museum in Fulda weiterreichte. Aus vielen historischen Zeitungsnotizen trugen die deutschen und polnischen Feuerwehrforscher die Puzzleteile für das Bild eines facettenreichen Feuerwehrlebens zusammen:

1920 konnte der 1840 geborene Jurist Johannes Hellmann bei seiner Verabschiedung auf ein halbes Jahrhundert schlesischer Feuerwehrgeschichte zurückblicken, die er in führenden Positionen maßgeblich mitgeprägt hatte. Begonnen hatte alles mit der Schaffung der Freiwilligen Feuerwehr Gleiwitz (Gliwice), die er 1869 nach seinem Amtsantritt als 2. Bürgermeister aus dem dortigen Rettungs- und Turnverein heraus gebildet hatte. Am 20. Juli 1869 wurde er zu deren Vorsitzenden und 1. Führer gewählt. Damit begann für den umtriebigen und vielseitig engagierten Endzwanziger eine sprichwörtliche Bilderbuchkarriere, deren Stationen in Schlüsselpositionen im Deutschen Reichs-Feuerwehr-Verband freiwilliger und sonst organisierter Feuerwehren, im Preußischen Landes-Feuerwehr-Verband sowie im Preußischen Feuerwehr-Beirat gipfelten. Sein 35 Jahre umfassendes Hauptbetätigungsfeld war jedoch der Provinzial-Verband der Feuerwehren Schlesiens, die ersten 10 Jahre als Mitglied des Vorstandes und die anschließenden 25 Jahre als dessen Vorsitzender.

In seinem 1877 erschienenen Werk "Das Feuerlöschwesen in allen seinen Teilen" konnte Conrad Dietrich Magirus für Schlesien lediglich 25 Feuerwehren als Bestand verzeichnen; im Vergleich dazu waren es beispielsweise in Baden und Württemberg 704 sowie in Bayern 2.920. Damals wirkte Hellmann bereits seit vier Jahren als Stadtsyndikus (Rechtsdezernent) in Neisse (Nysa) und hatte sogleich nach seinem Umzug in diese Stadt die dortige Freiwillige Feuerwehr mitbegründet.

Die unter Hellmanns Ägide im Hinblick auf die Attraktivität des Feuerwehrwesens forcierte Verbandsarbeit zeigte eine solche Außenwirkung, dass es zunehmend gelang, den Rückstand gegenüber dem Reich aufzuholen. Wo bis dato nahezu landesweit nur eine ungeliebte Löschpflicht der nicht ausgebildeten Bewohner gesetzlich vorgeschrieben war, entstanden nun organisierte Feuerwehren auf freiwilliger Basis. Dabei wurde die einzige Berufsfeuerwehr Schlesiens in Breslau (Wroclav) im professionellen Umgang mit modernem Gerät nicht nur Vorbild für die freiwilligen Feuerwehren in der eigenen Provinz (Land), sondern auch beliebte Station in der Nachwuchsausbildung für Feuerwehrführungskräfte aus dem ganzen Königreich Preußen.

Neben diesem ebenso quantitativen wie qualitativen fachlichen Entwicklungsprozess war die soziale Fürsorge gegenüber den Feuerwehrangehörigen ein persönliches Anliegen Hellmanns, dem man im heutigen Sprachgebrauch eine hohe soziale Kompetenz attestieren würde.

Die zu seiner Verabschiedung vom Provinzial-Feuerwehrverband eigens gestiftete Hellmann-Medaille wurde letztmals vermutlich 1936 verliehen. Die extrem seltene Auszeichnung wurde für besondere Verdienste überreicht. Es gab davon nur 12 Exemplare, die nach dem Tod der damit Ausgezeichneten wieder zurück gegeben werden mussten, um danach wieder neu verliehen werden zu können.

Nach einem sieben Jahre währenden Marsch durch die Instanzen ist es Rudolf Hyla, Feuerwehrkommandant des Dorfes Szemrowice (Schemrowitz) 2011 gelungen, diese Medaille im Andenken an Johannes Hellmann nun als offizielle Auszeichnung des Hauptverbandes der Polnischen Freiwilligen Feuerwehren für Oberschlesien wiederzubeleben. Die neue Medaille trägt heute selbstredend eine polnische Umschrift. Dem Porträt Hellmanns auf der Vorderseite ist auf der Rückseite u. a. das Emblem des heutigen Verbandes gegenübergestellt.

Die Wiederauffindung der einstigen Ruhestätte Hellmanns inklusive seines umgestürzten und zugewucherten Grabsteins erfüllte die schlesischen Feuerwehrkameraden im März 2011 mit großer Freude. Seine Umbettung von einem nach Ende des Zweiten Weltkriegs verwüsteten Friedhof in ein Ehrengrab auf dem heutigen Friedhof in Nysa soll im Frühjahr 2012 erfolgen. Dabei kann der glücklicherweise hervorragend erhaltene alte Grabstein wieder errichtet werden.

Den erfolgreichen Abschluss der wissenschaftlichen Vorrecherche des "Projektes Hellmann" besiegelte der Besuch einer schlesischen Delegation aus Vertretern der Berufsfeuerwehr Nysa, der Freiwilligen Feuerwehren Szemrowice und Rozwadza am 20. Juli 2011. Zusammen mit Museumsleiter Rolf Schamberger und dem stellvertretenden Leiter der Feuerwehr Fulda Thomas Helmer empfing Bürgermeister Dr. Wolfgang Dippel die Besucher. "Es ist schön, dass eine solch gute Kooperation und ein ständiger Austausch besteht, so dass alle voneinander lernen können", erklärte Dr. Dippel und überbrachte auch herzliche Grüße des Brandschutzdezernenten Oberbürgermeister Gerhard Möller.

Im Rahmen der Begrüßung brachte Dr. Dippel auch seine Freude über die Ende 2010 erfolgte offizielle Auszeichnung des DFM mit der "Medaille 700-Jahres Roswadze" Ausdruck. Der Anlass der Verleihung ist dem Text der Urkunde zu entnehmen:

"Die Mitarbeiter des DFM, vor allem Herr Gerd Schrammen, haben uns sehr geholfen bei der Rekonstruierung der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Roswadze, die seit 1945 durch Kriegswirren des II. Weltkriegs verschollen ist. Mit dieser Medaille sprechen wir unsere Anerkennung und unseren herzlichen Dank aus. Wir hoffen auf eine weitere freundschaftliche und erfolgreiche Zusammenarbeit."
Deutsch-polnisches Hellmann-Treffen in Fulda

Deutsch-polnisches Hellmann-Treffen in Fulda. Die Teilnehmer von links nach rechts: Rolf Schamberger (Leiter DFM), Stanislav Kutza (BF Nysa), Dr. Wolfgang Dippel (Bgm. Stadt Fulda), Marek Makowka (Kdt. BF Nysa), Rudolf Hyla (Kdt. FF Szemrovice), Helmut Polewka (Chronist FF Roswadza), Gerd Schrammen (Archivar DFM), Thomas Helmer (stellvertretender Leiter FF Fulda), Manfred Schnell (FF Fulda), Udo Stelzig (DFM und FF Fulda).

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