Friedrich Emig / Rolf Schamberger

Freiwillige Feuerwehr Lorsch: Ehrentafel für die Opfer des Ersten Weltkriegs, 1922

Ehrentafel der FF Lorsch

Ehrentafel der FF Lorsch

Der Erste ist bereits drei Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs am 22. August 1914 gefallen und der Letzte am 11. August 1918, drei Monate vor Inkrafttreten des Waffenstill-stands bei Kriegsende. Wir sprechen von zehn Kameraden der FF Lorsch, deren Namen auf einer schwarzen Marmortafel festgehalten sind. Die Inschrift lautet: "Unseren im Weltkriege gefallenen Kameraden gewidmet. Die freiw. Feuerwehr Lorsch. Ehre ihrem Andenken!"

Die künstlerische Gestaltung der Tafel weist eine Umrahmung mit dezenten Ornamenten im Jugendstil auf sowie ein ornamental gestaltetes Feld am oberen Rand. Darin abgebildet ist ein Stahlhelm in einem Lorbeerkranz über einem Eisernen Kreuz. Dieses zentrale Element wird von zwei Eichenlaubzweigen flankiert, die durch ein geschweiftes Band verbunden sind. Das Band trägt die Inschrift "EHRENTAFEL 1914 - 1918". Diesem die Tafel bekrönenden militärischen Aspekt steht unterhalb des Schriftfeldes eine feuerwehrbezogene Darstellung gegenüber: Ein Feuerwehrhelm über gekreuzten Äxten, einer Leiter sowie einer geflochtenen Rettungsleine.

Die Tafel selbst ist in eine aufwändige Sandsteinumrahmung eingelassen, die in der Art eines Portals mit den architektonischen Elementen einer klassischen Tempelfassade gestaltet ist. Zwei ionische Säulen tragen ein mehrstufig ausladendes Gesims, auf dem ein schlichter Dreiecksgiebel ruht. Das Giebelfeld selbst ist wiederum mit einem Flachrelief geschmückt, das einen Feuerwehrhelm über gekreuzten Fackeln darstellt.

Der Erste Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg hat in vier Jahren und knapp dreieinhalb Monaten rund 17 Millionen Menschenleben gefordert. Das sind bei 1.563 Kriegstagen durchschnittlich knapp 10.900 Tote täglich, ein unvorstellbarer Blutzoll. Der bekannte Künstler Otto Dix war ein Zeitgenosse der auf der Tafel gelisteten Lorscher Feuerwehrkameraden. 1914 hat er sich wie so viele junge Männer begeistert als Freiwilliger an die Front gemeldet. Sehr schnell hat er dort aber die Realität des Kriegsalltags erkannt und mit deutlichen Worten unmissverständlich geschildert:

"Läuse, Ratten, Stacheldraht, Flöhe, Granaten, Minen, unterirdische Keller, Körper, Blut, Mäuse, Kugeln, Bomben, Feuer: Teufelswerk. Das ist der wahre Krieg."

Die Gefallenen waren Väter, Brüder und Söhne, die in ihrem familiären Umfeld schmerzlich vermisst wurden. Darüber hinaus waren sie in unserem Fall auch Feuerwehrkamera-den, die nicht mehr in die Reihen ihrer Wehr zurückkehren konnten. Sie waren zwischen 27 und 37 Jahren alt.

Der Landesverband hessischer freiwilliger Feuerwehren nach 1918

Ehren-Tafel des Landesverbands hessischer freiwilliger Feuerwehren, 1921

Ehren-Tafel des Landesverbands hessischer
freiwilliger Feuerwehren, 1921

Infolge der politischen Umwälzungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Großherzogtum Hessen-Darmstadt zum Volksstaat Hessen. Der Landesverband hessischer freiwilliger Feuerwehren erfasste in einer Kriegschronik die hohen Verluste in den eigenen Reihen. Er dokumentierte diese in einer gedruckten "Ehren-Tafel" zur Erinnerung an die Gefallenen, die infolge von Verwundung oder im Felde zugezogener Krankheit Verstorbenen sowie der als vermisst Gemeldeten. Der Vorsitzende des Landesverbandes hessischer freiwilliger Feuerwehren, Carl Keller, beklagte damals nahezu 2.000 Männer.

Keller in seinem Vorwort:

"Nach Auflösung einiger Wehren bestanden am Anfang des Jahres 1921 noch 330 freiwillige Feuerwehren in Hessen. Von diesen haben 320 die Fragebogen zur Kriegs-Chronik beantwortet und haben folgendes Ergebnis gebracht: Von 18.080 freiwilligen Feuerwehrleuten waren während des Krieges zu militärischen Dienstübungen einberufen 13.250. Gefallen, vermißt oder infolge Erkrankung, Verletzung usw. gestorben sind 1.923. Verwundet wurden 2.564. Hiervon sind nicht geheilt 378. Auszeichnungen wurden verliehen: Das Eiserne Kreuz I. Klasse 72; das Eiserne Kreuz II. Klasse 3.356; die hessische Tapferkeitsmedaille 2.813 und sonstige Auszeichnungen 792."

1922: Schaffung der Ehrentafel

Der Chronist der Freiwilligen Feuerwehr Lorsch in der Provinz Starkenburg hat in der Chronik zum 50-jährigen Jubiläum der Wehr im Jahre 1927 die Entstehung der Gedenktafel niedergeschrieben:

"Nun galt es auch, unserer im Krieg gefallenen Kameraden zu gedenken und ließ sich innerhalb der Wehr auch der Entschluss heranreifen, eine Ehrentafel mit Namensverzeichnis der im Krieg gefallenen Kameraden am Spritzenhaus zu errichten, um denselben ein dauerndes Andenken zu bewah-ren. Auch hier war es wiederum unser 1. Kommandant Michael Gärtner und der ehemalige Schriftführer Valentin Huba, die der obigen Anregung die Tat folgen ließen. Es wurde mit einem unermüd-lichen Eifer zur Ausführung der Gedenktafel herangegangen, so dass diese noch im Jahre 1922 errichtet werden konnte. Die Tafel mit der Inschrift lieferte die Firma J. Riedlinger, Auerbach, die Sandstein-Einfassung hierzu Steinbruchbesitzer und Bürgermeister Peter Schmitt, Siedelsbrunn im Odenwald. Die Tafel kostete 10.800,- Papiermark. Nach Fertigstellung und Anbringung derselben am Spritzenhause, wurde die Einweihung derselben auf den 29. Oktober 1922 festgelegt. Hierbei war nun geplant, die Feier der Einweihung möglichst einfach zu gestalten und wurde demzufolge keine auswärtige Wehr hierzu eingeladen, jedoch eine wohl würdigere Feier hatte Lorsch in seinen Mauern bis daher wenig gesehen. An der erhabenen Feier beteiligten sich sämtliche hiesigen Vereine. Noch sei erwähnt, dass unser Kamerad Valentin Wüst in einer herzergreifenden Ansprache an die Versammelten nochmals die Verdienste der für das Vaterland gefallenen Helden würdigte, und empfahl die zum ewigen Andenken errichtete Ehrentafel dem Schutze der Allgemeinheit."

Die Unterkunft der Feuerwehr war damals im Untergeschoss des 1902 errichteten Anbaus an das 1714/15 erbaute Rathaus.

Erster Umzug der Gedenktafel

Während der Wirtschaftswunderzeit der 1950er Jahre erhielt die FF Lorsch endlich ein eigenes neues Feuerwehrhaus. In diesen Neubau in der Schulstraße wurde auch die Gedenktafel aus dem Ersten Weltkrieg einbezogen. Über der Eingangstür zum Schlauchturm wurde ein passender Platz gefunden. Begleitet vom klingenden Spiel des Spielmannszuges wurde die Gedenktafel in einem kleinen Umzug vom alten Standort am Rathaus zum neuen Standort gebracht und dort befestigt. Hier konnte sie weiterhin die darauf verewigten Feuerwehrkameraden in Erinnerung bringen.

Zweiter Umzug der Gedenktafel

Die Gedenktafel am Schlauchturm des alten Feuerwehrhauses

Die Gedenktafel am Schlauchturm des alten Feuerwehrhauses

Von 1953 bis 2012 war die Tafel am Schlauchturm des alten Feuerwehrhauses in der Schulstraße angebracht. Nach dem Umzug der Lorscher Feuerwehr am 10. Oktober 2010 konnte am neuen Standort in der Nibelungenstraße 134 auch das Feuerwehrmuseum weiter ausgebaut werden. Der verlassene Standort in der Schulstraße sollte nun einem neuen Zweck zugeführt werden. So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis das Gebäude abgebrochen wird. Die Oldtimerfreunde der Feuerwehr Lorsch ergriffen unter ihrem Sprecher Georg Heger und dem Museumsaktivisten Klaus Rickers die Initiative, die Ehrentafel vom alten Standort ins Feuerwehrmuseum zu überführen, wo sie nun hoffentlich dauerhaft gezeigt werden kann.

In einer schlichten Feierstunde konnte die am neuen Standort eingebaute Gedenktafel schließlich eingeweiht werden. Neben Stadtbrandinspektor Franz-Josef Schumacher und einigen Vorstandsmitgliedern nahmen auch die Oldtimerfreunde und deren Sprecher Georg Heger sowie Hans Neubecker von der historischen Spritzengruppe an der offiziellen Zeremonie statt. Der Chronist der Feuerwehr und Erster Stadtrat Friedrich Emig, der aus einer "alten" Feuerwehrfamilie stammt und selbst seit 53 Jahren Mitglied der FF Lorsch ist, beschrieb in einer kurzen Ansprache den Weg der Ehrentafel bis zu ihrem heutigen Standort.

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